Häuslichen Krankenpflege Achim & Oyten: Familienbewusste Schichtgestaltung mit viel Autonomie

Portrait Marc Detjen am Schreibtisch
Marc Detjen, Leiter der häuslichen Krankenpflege Achim.© Privat

Die Corona-Pandemie hat die Welt auf den Kopf gestellt. Auch die Welt von Marc Detjen, dem Gründer und Inhaber der Häuslichen Krankenpflege Achim & Oyten. Er leitet einen ambulanten Pflegedienst mit knapp 40 Beschäftigten. Im März 2020 begannen die Probleme: Was früher ganz normal war, ging plötzlich von heute auf morgen nicht mehr – oder es wurde kompliziert. Viele 18-Stunden-Arbeitstage folgten, um zu klären, welche Hygieneregeln gelten und wie groß das Ansteckungsrisiko für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Pflegebedürftigen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist. Zugleich mussten die Pflegebedürftigen auch unter den neuen Umständen weiter versorgt werden – eine Herausforderung vor allem dann, wenn Beschäftigte ihre Kinder oder eigene pflegebedürftige Angehörige zu Hause betreuen müssen.

Ein Jahr später haben wir ihn gefragt, wie ihm und seinem Unternehmen diese Herausforderung gelungen ist.

Wie haben Sie die Versorgung Ihrer Patientinnen und Patienten trotz Lockdown-Phasen beziehungsweise Homeschooling gestemmt? Homeoffice oder Kinder mitnehmen geht ja in Ihrem Fall nicht.

Zunächst habe ich meine Mitarbeitenden gefragt, welche zeitlichen Ressourcen jeweils zur Verfügung stehen. Ich habe sie in diesem Zusammenhang auch darum gebeten, mit ihren Partnerinnen und Partnern abzusprechen, wann diese zum Beispiel im Homeoffice sind und sich um die Kinder kümmern können. Das war mir sehr wichtig, auch wenn es schwierig war – hier auf dem Land geht es noch eher traditionell zu. Gut ging das tatsächlich bei Trennungsfamilien, in denen sich der andere Partner bereit erklärt hat, die Kinder „außer der Reihe“ zu betreuen. Und wenn es Ängste um die eigene Gesundheit gab, bin ich in den Keller und habe die Maskenvorräte gezeigt. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich außerdem untereinander organisiert. Die 17-jährige Tochter einer Leitungskraft hat einen „Babysitterschein“ und in ihren eigenen schulfreien Zeiten die Kinder der Beschäftigten übernommen.

Hatten Sie Probleme bei der Organisation des Dienstplans?

Nein, den Dienstplan konnten wir ohne größere Verwerfungen weiter besetzen. Geholfen hat uns in der ersten Zeit, dass wir einige Terminabsagen hatten, weil auch die Patientinnen und Patienten unsicher waren. Diese Zeit konnte genutzt werden, um Überstunden abzubauen. Inzwischen sind wir aber wieder voll ausgelastet. Mittlerweile springen die Pflegedienstleitung und ich auch mal selbst ein und übernehmen Einsätze beziehungsweise Beratungstermine – da muss man dann auch mal Vorbild sein. Wichtig ist jetzt eine flexible Kapazitätssteuerung mit einer großzügigen Überstundenregelung. Und wenn es zu eng wird, verhänge ich einen Aufnahmestopp – auch wenn es wirtschaftlich auf den ersten Blick weh tut, rechnet sich das auf lange Sicht, da ich meine Beschäftigten nicht überfordere.

Was war für Sie die wichtigste Erkenntnis, die Sie auch in Zukunft beherzigen?

Ehrlich gesagt genau das, was wir vor vielen Jahren gelernt haben, als wir uns als familienfreundlicher Arbeitgeber zertifizieren ließen: maximale Transparenz und viel Reden! Ich frage nur noch: Sag mir, was du kannst, nicht, was du nicht kannst! Ein gutes Team ist gut gerüstet und geht tatsächlich auch durch Dick und Dünn. Aufdiktieren bringt gar nichts, und auch Ängste muss man ernst nehmen. Mit fachlich fundierten Antworten zum Beispiel zu Impfrisiken oder Ansteckungsgefahr kann man diesen Sorgen begegnen. Dann funktioniert auch das Geben und Nehmen bei den Einsatzzeiten – denn alle sind letztlich dankbar, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben, während um sie herum Kurzarbeit herrscht.

Wie läuft es aktuell in Ihrer täglichen Arbeit mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Es hilft, dass inzwischen auch die familiären Strukturen gefestigt sind: Die Großeltern sind geimpft und können meine Beschäftigten bei der Kinderbetreuung unterstützen. Unter der Beachtung von Hygieneregeln versuchen wir zudem, den regelmäßigen Austausch im Büro aufrecht zu erhalten. Wir erleben, dass der Zusammenhalt in der Krise zu einem achtsameren, fast freundschaftlicheren Umgang miteinander führt. Auch bei mir selbst herrscht so etwas wie eine neue Gelassenheit. Hierarchien sind flacher und das gegenseitige Verständnis für die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist gewachsen.

Familienbewusstsein in der Pflegebranche

Marc Detjen steht als ein Beispiel für die vielen kleinen Unternehmen aus der Pflegebranche. Deren Schichtmodelle sind unterschiedlich, genauso wie die Bedürfnisse der Beschäftigten. Wie eine möglichst optimale, alle Interessen berücksichtigende Ausgestaltung der Schichtpläne im einzelnen Unternehmen aussehen kann, muss individuell erarbeitet werden. Helfen können dabei unsere Eckpunkte für eine familienbewusste Schichtgestaltung.

In Kleinunternehmen spielen pragmatische Lösungen und das miteinander Reden die wichtigste Rolle. Die simple Frage, was individuell geleistet werden kann, ermöglicht viel Spielraum:

  • Den einzelnen Beschäftigten viel Autonomie geben und die Dienstplanung im Team abstimmen.
  • Die möglichen Stellschrauben identifizieren, die verändert werden können, um passende Arbeitszeiten zu gestalten.
  • So weit wie möglich auf Freiwilligkeit setzen und Grenzen akzeptieren – Familienfreundlichkeit muss solidarisch erlebt werden.
  • Tauschmöglichkeiten öffnen auch für Beschäftigte ohne Kinder.

Die Mühe lohnt sich, denn es finden sich immer individuelle Lösungen, von denen alle profitieren können.

Für weitere Informationen zum Thema Vereinbarkeit und Pflege können Sie hier den Leitfaden vom Unternehmensnetzwerk herunterladen.