Frau Groß, was hat die KfW dazu bewegt, dem Bündnis Gemeinsam gegen Sexismus beizutreten?
Erst mal ist wichtig: Die KfW steht unter dem Motto „Bank aus Verantwortung“. Das heißt, wir verstehen Verantwortung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich. Und in einer solchen Verantwortung haben Sexismus, Diskriminierung oder Belästigung keinen Platz. Als ich mein Amt übernommen habe, bekam ich Anfragen zu diesen Themen. Da wurde klar: Das betrifft uns alle – in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz – und wir müssen drüber sprechen. Als ich dann vom Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ gehört habe, dachte ich: Das ist der richtige Hebel.
Ein Netzwerk, das Wissen, Haltung und Handlungsimpulse vereint – und uns hilft, das Thema im Haus zu verankern, um zu sensibilisieren und Haltung zu zeigen. Unser Vorstand war sich einig: Das ist eine Unternehmensfrage, keine Einzelinitiative. Also sind wir als KfW beigetreten.
Und was ist für Sie das verbindende Element zwischen dem Bündnis und „Erfolgsfaktor Familie“?
Beide Netzwerke fördern eine Kultur des Hinsehens und der Verantwortung. Familienfreundlichkeit und ein respektvoller Umgang gehören für mich unmittelbar zusammen. Es geht letztlich um dieselbe Frage: Wie wollen wir miteinander arbeiten und leben? Das Bündnis und Erfolgsfaktor Familie bieten das Handwerkzeug, um diese Werte in der Praxis umzusetzen.
Sie hatten schon vor ihrem Beitritt Leitlinien, etwa einen Code of Conduct. Warum trotzdem das Bündnis?
Weil Papier allein nicht reicht. Unser Code of Conduct formuliert klare Null-Toleranz-Regeln, aber das Bündnis füllt diese Worte mit Leben. Es schafft Aufmerksamkeit, bietet Vorlagen, Studien, Formate wie die großartige Plakatausstellung des Bündnisses zum Thema Sexismus– und das Wichtigste: Es macht das Thema anschlussfähig für den Alltag.
Manche Unternehmen zögern, das Thema Sexismus auf die Agenda zu setzen, weil sie Angst haben, „schlafende Hunde zu wecken“. Wie sehen Sie das?
Das ist eine Frage der Haltung. Wer Angst davor hat, ahnt meist, dass es da etwas gibt, das man lieber nicht anschaut. Ich sage immer: Ich will vor die Welle kommen!. Wenn ich frühzeitig sensibilisiere, Rollenbilder bespreche und Ansprechpersonen schaffe, dann nehme ich Ängste und beuge Konflikten vor.
Wie machen Sie die Themen im Haus konkret sichtbar?
Wir haben mehrere Ebenen. Zum einen die klassischen: unseren Code of Conduct, interne Beschwerde- und Beratungsstellen, Gleichstellungsbeauftragte Personalvertretungen. Zum anderen viele niedrigschwellige Angebote: Impulsvorträge, Workshops, die Print-On-Demand-Ausstellung des Bündnisses.
Ich gehe aktiv auf Bereiche zu, aber mittlerweile kommen auch Anfragen zu mir. Zum Beispiel von unserem Frauennetzwerk oder von Führungskräften, die sagen: „Ich bin mir unsicher. Wie habe ich etwas einzuordnen? Da war etwas – habe ich richtig reagiert?“ Das zeigt mir: Es wirkt. Menschen denken nach, bevor sie handeln. Und dann gibt es Themen, die noch vor ein paar Jahren kaum jemand angesprochen hätte: Menopause, Zyklus, Sprache, Rollenbilder. Ich habe eine kleine „Gleichstellungs-Bibliothek“ aufgebaut. Da stehen Bücher wie „Unsichtbare Frauen“, „Zu anders für die Macht?“ über Frauen in der Politik oder „Werte“ von Maja Göpel – und sie werden ausgeliehen! Auch von Männern, die einfach verstehen wollen, was ihre Kolleginnen beschäftigt. Da ist eine Neugier, die über das Arbeitsleben hinausgeht – und genau da beginnt Kulturwandel.
Wie greifen die Themen Vereinbarkeit und Antisexismus ineinander?
Ganz eng. Wenn ich über Sexismus oder Diskriminierung spreche, spreche ich auch über Rollenbilder. Und wer traditionelle Rollenbilder hinterfragt, macht automatisch Vereinbarkeit leichter. Wenn wir z. B. darüber reden, dass Frauen nicht selbstverständlich die Care-Arbeit übernehmen – dann öffnen wir auch Wege, dass Männer Elternzeit nehmen, in Teilzeit führen oder Pflegeaufgaben übernehmen. Das eine Thema stärkt also das andere: Eine Unternehmenskultur, die Sexismus nicht duldet, schafft auch mehr Raum für Familienfreundlichkeit – und umgekehrt.
Welche Vereinbarkeitsinstrumente nutzt die KfW?
Wir haben flexible Arbeitszeitmodelle, mobiles Arbeiten (60 % mobil, 40 % Präsenz), Tandemmodelle in Führung, eine betriebliche Kita, Quotenmonitoring und einen Gleichstellungsplan mit klaren Zielen. Mit 40 % Frauen in Führungspositionen stehen wir im Bankensektor sehr gut da. Aber Zahlen sind nur ein Teil. Entscheidend ist: Führung in Teilzeit, Elternzeit, Pflegezeit – all das ist möglich und erwünscht. So entsteht eine Unternehmenskultur, die Vielfalt lebt – nicht nur in der Theorie.
In der Bündnisarbeit spielt Intersektionalität eine große Rolle. Wie sehen Sie das?
Ich halte das für absolut notwendig. Diskriminierung ist selten eindimensional. Es geht nicht nur um Mann oder Frau – sondern auch um Herkunft, Name, Behinderung, sexuelle Orientierung. Gerade in der jetzigen gesellschaftlichen Stimmung ist es wichtig, klar zu sagen: Vielfalt ist kein Luxus, sondern Teil von Demokratie. Da finde ich übrigens die Verbindung von Bündnis und Erfolgsfaktor Familie besonders wertvoll: Beide Netzwerke zeigen, dass faire, inklusive Arbeitsbedingungen keine „Add-ons“ sind, sondern Grundlagen für Stabilität – im Unternehmen wie in der Gesellschaft.
Was beobachten Sie in Bezug auf die jüngere Generation?
Die jüngeren Kolleginnen und Kollegen sind deutlich sensibilisierter. Sie sagen schneller: „Stopp, das geht zu weit.“ Und sie bringen eine andere Selbstverständlichkeit mit, über Grenzen, Sprache oder Rollenbilder zu sprechen. Ich bin Jahrgang ’67, und ich merke oft: Meine Generation hat vieles weggelächelt. Wir haben gelernt, Dinge auszuhalten. Heute erlebe ich Jüngere, die mutiger sind, die das nicht mehr wollen – und das finde ich gut.
Es ist nicht immer bequem, aber es ist ein Fortschritt. Gleichzeitig brauchen auch sie Orientierung, denn Sensibilität allein ersetzt keine Strukturen.
Welche Rolle spielt Sprache für Sie in dieser Arbeit?
Eine große. Sprache prägt unsere Wahrnehmung – und sie entscheidet mit, wer sichtbar ist. Ich finde, man muss nicht alles perfekt gendern, aber man sollte bewusst formulieren. Wenn ich „Mitarbeiter“ lese, denke ich sofort: Da fehlen Menschen. Die KfW ist da inzwischen sehr konsequent und spricht bewusst von „Arbeitgeberin“, „Impulsgeberin“, „Macherin“. Das finde ich stark – es signalisiert, dass alle gemeint sind. Ich selbst achte darauf, niemanden unsichtbar zu machen, egal ob ich von Mitarbeitenden, Kolleginnen oder Kollegen spreche. Das klingt vielleicht banal, aber solche Details verändern die Kultur – Schritt für Schritt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft – auch in der Zusammenarbeit mit den Netzwerken?
Ich wünsche mir, dass wir weiter voneinander lernen. Das ist das Schöne an Netzwerken: Sie öffnen Türen. Vom Bündnis wünsche ich mir, dass es noch präsenter in die Organisationen kommt – mit regionalen Formaten, Präsenzveranstaltungen, Train-the-Trainer-Formaten. Und vom Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ wünsche ich mir, dass es diese Themen mitdenkt, weil sie Teil derselben Frage sind.
Ihr Rat an andere Organisationen, die das Thema gerade für sich entdecken?
Hört in die Organisation rein: Was bewegt eure Mitarbeitenden? Sprecht mit Führungskräften, gebt Wissen weiter, schafft Räume für ehrliche Gespräche. Und dann: dranbleiben. Kulturwandel braucht Wiederholung, Beharrlichkeit und Geduld. Es geht nicht darum, Probleme anzuprangern, sondern Bewusstsein zu schaffen.
Und wenn man merkt, dass etwas wirkt – dass Menschen anfangen, Fragen zu stellen, zuzuhören, sich zu trauen – dann weiß man: Das ist der richtige Weg.
Auch Ihr Unternehmen kann Mitglied werden – im Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“
Über 850 Organisationen aus Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind bereits Teil des Bündnisses unter der Schirmherrschaft des BMBFSFJ. Das Bündnis setzt sich für eine Arbeitswelt frei von Sexismus und Diskriminierung ein – und unterstützt Mitgliedsorganisationen mit Materialien, Austauschformaten und Praxisbeispielen.
Mehr Informationen und Beitritt unter:
www.gemeinsam-gegen-sexismus.de/beitreten