Miriam Hoheisel ist Geschäftsführerin des Bundesverbands alleinerziehender Mütter und Väter e. V. (VAMV). Die Arbeitswelt sei zwar familienfreundlicher geworden, aber noch nicht ausreichend auf die Sorgeverpflichtungen alleinerziehender Eltern ausgerichtet. Hoheisel nennt Vorschläge, was Betriebe konkret für die Beschäftigtengruppe der Alleinerziehenden tun können.
Frau Hoheisel, in Deutschland gibt es knapp 1,7 Millionen Alleinerziehende, das sind 20 Prozent aller Familien mit Kindern. Können Sie kurz beschreiben, was die drängendsten Probleme Alleinerziehender sind, vor allem wenn sie abhängig beschäftigt sind?
Alleinerziehende haben eine typische Mehrbelastung im Alltag. Sie entsteht durch Kinderbetreuung, die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, und die Aufgaben im Haushalt. Eine gelingende Vereinbarkeit ist eine absolute Herausforderung. Ungeplantes ist allein schwierig zu händeln, zum Beispiel Termine im Beruf nach Feierabend oder eine Spontanschließung der Kita. Kinderbetreuung ist immer noch nicht bedarfsgerecht, Arbeitszeiten sind also nicht immer abgedeckt und unfreiwillige Teilzeit ist oft eine Folge. Die Personaldecke in Kitas wird eher dünner, was die Situation verschlechtert, anstatt sie zu verbessern. Ohnehin ist Randzeitenbetreuung morgens und abends ein Problem. Acht Stunden Betreuung reichen nicht aus, da Eltern die Kinder ja in die Kita bringen, zur Arbeitsstelle eilen und auch den Weg zurück einrechnen müssen. Wir sehen bei Müttern nach Trennung oder Scheidung vielfach den Wunsch nach einem höheren Arbeitsumfang. Das Unterhaltsrecht verlangt ökonomische Eigenverantwortung. Deswegen setzen wir uns als Verband zum Beispiel für das Recht auf befristete Teilzeit für alle ein, also ohne Einschränkungen wie etwa bei der Betriebsgröße, sodass grundsätzlich von einer Teilzeitstelle auf den vorherigen Arbeitsumfang zurückgewechselt werden kann.
Knapp 2,5 Millionen Kinder wachsen mit einem alleinerziehenden Elternteil auf, 82 Prozent davon sind Mütter. Welche Erkenntnisse aus dem Zehnten Familienbericht sind für Arbeitgeber interessant, die Alleinerziehende unterstützen möchten?
Die Kommission, die den Zehnten Familienbericht erarbeitet hat, empfiehlt eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie als das neue Normal zu etablieren. Denn die Arbeitswelt ist noch nicht ausreichend auf die Sorgeverpflichtungen ausgerichtet. Die Kommission empfiehlt eine rechtliche Regelung für mobiles Arbeiten und eine Reform des Arbeitszeitrechts mit dem Ziel einer stärkeren Flexibilisierung, sodass familienbedingte Bedarfe bei der Lage der Arbeitszeit Berücksichtigung finden. Als VAMV sehen wir in der Praxis, wie wichtig eine stärkere Anpassung der Arbeitszeiten an real vorhandene Kinderbetreuungszeiten ist. Übergeordnet sollte außerdem laut Familienbericht eine paritätische Vereinbarkeit gefördert werden, um die ökonomische Eigenständigkeit von Müttern von Anfang an zu stärken.
Was können Arbeitgeber für Alleinerziehende konkret tun, um deren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, über die üblicherweise schon vorhandenen Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten hinaus?
Das A und O ist eine umfassende Flexibilisierung der Arbeitszeit, kombiniert mit einer hohen Verlässlichkeit, was zum Beispiel die Terminplanung von Dienstreisen angeht. Das muss natürlich immer beidseitig sein und gleichzeitig Beschäftigen mit Sorgeverantwortung eine hohe Arbeitszeitsouveränität ermöglichen. Arbeitgeber können auch jetzt schon befristete Teilzeit für alle gewähren, genauso wie sie ihre (alleinerziehenden) Beschäftigten mit betrieblicher Kinderbetreuung bei der Randzeiten- und Notfallbetreuung unterstützen können. Betriebe sollten Fortbildungen auch in Teilzeit oder mit Kinderbetreuung anbieten und sie sollten gute Vertretungsregeln mit geklärter Zuständigkeit anwenden, was den Umgang mit Ungeplantem im Team erleichtern kann. Eine Ansprechperson für Alleinerziehende im Betrieb verschafft dem Thema die dringend nötige Sichtbarkeit und sendet – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – das Signal: Alleinerziehende sind willkommen.
Mein Wunsch ist, dass Unternehmen auch die Kompetenzen sehen, die Alleinerziehende in ihrem durchgetakteten Alltag brauchen: Organisieren, flexibel reagieren und Plan B vordenken – das sind auch wertvolle Kompetenzen für einen Betrieb.