In der Rubrik „Klartext“ stellen wir eine These zum jeweiligen Schwerpunktthema auf und bitten Expertinnen oder Experten, dazu knapp Stellung zu nehmen. Lesen Sie in dieser Ausgabe Beiträge von Andrea Montua, Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur MontuaPartner Communications GmbH in Hamburg, und von Christian Böhnke, Co-Founder von HUNTING/HER HR-Partners, einer auf weibliche Führungskräfte spezialisierten Personalberatung ebenfalls in Hamburg. Bei den Kommentaren handelt es sich um persönliche Ansichten der Autorinnen und Autoren.
These: Wir wissen: Väter arbeiten vor der Geburt ihres Kindes durchschnittlich zu 46 Prozent im Homeoffice und nach der Geburt eines Kindes zu 47 Prozent. Mütter arbeiten vor der Geburt des Kindes zu 27 Prozent im Homeoffice und nach der Geburt zu 72 Prozent. Die Zahlen zeigen, dass Homeoffice für Mütter offensichtlich ein sehr gutes Vereinbarkeitsinstrument darstellt, wohingegen Väter das Homeoffice unabhängig von ihrer Vaterschaft gleichbleibend nutzen. Hier kann der Schluss gezogen werden, dass Homeoffice-Angebote sich zwar individuell durchgehend positiv für Mütter darstellen, gleichzeitig aber als „Kollateralschaden“ eine Arbeitsmarktsegregation und das Verharren in alten Rollenmustern begünstigen. Ist das aus Ihrer Sicht richtig oder falsch?
Homeoffice kein Kleister für alte Rollenmuster
Aus meiner Sicht fehlen zu viele Parameter, um diese Zahlen richtig einordnen zu können. Mir wäre es zum Beispiel wichtig zu wissen, welche Art von Jobs in der Studie untersucht wurden und ob es bei Männern und Frauen die gleichen Tätigkeiten waren. Bei vielen Arbeiten bietet sich das Homeoffice einfach nicht an, deshalb wechseln Frauen nach der Babypause zu Bereichen im Unternehmen oder zu Arbeitgebern, die Homeoffice anbieten, um dann eben Arbeit und Kinderbetreuung vereinbaren zu können. Hier treten Frauen meist viel selbstbewusster auf als Männer, weil das Homeoffice für sie mit Kindern nicht mehr verhandelbar ist.
Aus meiner Sicht wird sich die Frage aber in Zukunft ohnehin erledigen – Studien sagen voraus, dass ein Großteil der Arbeitnehmer in zehn Jahren nicht mehr im Büro arbeiten wird, sondern von wo sie wollen und oft sogar, wann sie es wollen. Das Homeoffice ist also sicher kein Kleister für alte Rollenmuster. Vielleicht brauchen Männer einfach nur mehr Mut zu weniger Präsenz.“
Ein Schritt in die richtige Richtung
„Als wir HUNTING/HER 2007 gründeten, war für uns klar, dass das Homeoffice als Angebot insbesondere an mitarbeitende Eltern auch für unser Unternehmen von hohem Wert sein würde. Einerseits weiteten wir auf einen Schlag unseren bescheidenen Einzugsbereich von Hamburg auf ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz aus, ohne überall Büros unterhalten zu müssen. Gleichzeitig verlieh das Homeoffice-Angebot unserem damals gänzlich unbekannten, kleinen Start-up einen echten Wettbewerbsvorteil im sogenannten „war for talents“. Dieser zeigte sich schnell in Form von außergewöhnlich hochqualifizierten Frauen, die familienbedingt aktuell keiner Präsenzarbeit nachgehen konnten oder wollten, wohingegen sich Männer hiervon kaum ansprechen ließen.
Insofern spiegeln die vorliegenden Zahlen auch unsere Erfahrungen zum Thema Homeoffice aus der Mikroperspektive wider. Aber auch wenn die zunehmende Abnahme von Präsenzpflicht an Deutschlands Arbeitsplätzen Frauen deutlich bessere Chancen bietet, Familie und Karriere miteinander zu vereinbaren – komplett lässt sich eine tendenziell drohende Arbeitsmarktsegregation von Müttern mit Karriereambitionen, quasi als eine Art von Kollateralschaden, damit zwar aktuell (noch) nicht negieren, dennoch halte ich die Abkehr von der reinen Präsenzpflichtarbeit für eine durchweg begrüßenswerte Entwicklung, die dazu beiträgt, dass mehr hochqualifizierte Eltern auch während der Elternzeiten ihrem Beruf nachgehen können und somit insbesondere weniger Frauen auf dem Karriereweg nach oben auf der Strecke bleiben.
Hinzu kommt: Zum einen lässt sich dieser Effekt durch aktives Gegensteuern bereits heute reduzieren, z. B. indem gezielt an der Sichtbarkeit der eigenen, remote erarbeiteten Leistungen gefeilt wird. Andererseits sollte mit zunehmender Akzeptanz neuer, flexiblerer Arbeitsmodelle und dem Emporwachsen der neuen Generation an Fach- und Führungskräften auch die Schere bezüglich der Ansprüche von Frauen und Männern an die Rahmenbedingungen weiter zusammengehen. So kenne ich in meiner Generation durchaus viele männliche Top-Führungskräfte, die ebenfalls die Vorzüge der Remotearbeit, also des mobilen Arbeitens, zu schätzen gelernt haben – auch wenn es ein Entwicklungsprozess ist, wie ich auch an mir selbst sehe. Sofern es terminlich einzurichten ist, nehme ich mir zunehmend gerne mal die Freiheit, von zu Hause aus zu arbeiten, anstatt meinen Arbeitstag im Hamburger Berufsverkehr beginnen zu lassen.“