In der Rubrik „Klartext“ stellen wir eine These zum jeweiligen Schwerpunktthema auf und bitten Expertinnen oder Experten, dazu knapp Stellung zu nehmen. Lesen Sie in dieser Ausgabe Beiträge von Birgit Weinmann, Auditorin der berufundfamilie Service GmbH, und Ina Colle, zuständig für Projektkoordination und Personalentwicklung bei der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH. Bei den Kommentaren handelt es sich um persönliche Ansichten der Autorinnen.
These: Individuelle Vereinbarkeitslösungen sind immer auch Teamlösungen und daher manchmal nicht konfliktfrei zu haben. Richtig oder falsch?
Ohne Fairness sind Dauerkonflikte vorprogrammiert
„Wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es zwangsläufig auch Konflikte. Insofern ist die These richtig. Ressourcen sind in der Regel begrenzt. Das Dreieck zwischen den Anforderungen aus der Tätigkeit, individuellen und Teambelangen ist dynamisch. Wenn sich jemand individuell optimiert, bedeutet das bei gleichbleibender Teamperformance für die anderen weniger Flexibilität oder Mehrbelastung. In der Praxis begegnen einem ,Vereinbarkeitsklassiker‘ wie Brückentage, Teilzeit am Vormittag und wochenendnahes Home-Office. Scheinbare Lifestyle-Belange stehen ,triftigen‘ Gründen wie Pflegeaufgaben oder Kinderbetreuung gegenüber.
Die Fairness der Lösungen ist für Teams ein entscheidender Punkt. Dürfen alle alles? Was sind Ausnahmen? Welche Ausgleichslösungen und Spielregeln definieren wir? Das offene Ohr der Führungskraft reicht nicht aus. Vereinbarkeit ist eine zu gestaltende Daueraufgabe, die die Belange aller Teammitglieder gleichermaßen ohne Bewertung in den Fokus rückt. Führungskräfte müssen die Vereinbarkeitserwartungen aktiv managen. Ein faires Geben und Nehmen zu entwickeln heißt, Aushandlungsprozesse im Team zu initiieren, um Flexibilität zu erhalten sowie die Möglichkeiten und die Grenzen transparent zu kommunizieren. Dafür haben wir ein eigenes Tool, den Vereinbarkeits-Trialog, entwickelt.
,Manchmal Konflikte‘ ist o. k., sie zeigen Veränderungschancen auf. Bei Dauerkonflikten heißt es, genau hinzuschauen: Mangelt es an den Ressourcen, an Transparenz, der Teamentwicklung oder an mehreren Aspekten?“
Nur mit dem Team gibt es funktionierende Lösungen!
„Im Krankenhaus, mit Präsenz an 365 Tagen rund um die Uhr, ist man gut beraten, individuelle Vereinbarkeitslösungen im Team zu besprechen, um einen Konsens zu finden, was bei individuellen Vereinbarkeitslösungen leistbar ist und vom Team getragen werden kann. Wer ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen Teammitglieder seine Interessen durchdrückt/durchdrücken will, zieht sich den Ärger und Unmut des Teams zu und erfährt wenig Unterstützung, so meine Erfahrung. Im Team treffen unterschiedliche ,Anspruchsgruppen‘ aufeinander: die jüngeren Mitarbeiter*innen, die wegen der Kinderbetreuung besondere Regelungen brauchen, und die Beschäftigten, die Angehörige pflegen. Ältere Kolleg*innen, die eine Entlastung bei den Nachtdiensten wollen, und Schwerbehinderte, die wegen körperlicher Einschränkungen vielleicht nicht alle Dienste leisten können. Und last but not least haben auch die Mitarbeiter*innen, auf die all das nicht zutrifft, ein Recht auf Privatleben. Wenn in einem Team diese Bedürfnisse aufeinandertreffen, können Wege nur darüber gefunden werden, dass das Thema gemeinsam besprochen wird und Lösungen gefunden werden. Dies ist ein dauerhafter Prozess, da sich Lebenssituationen ändern und gefundene Vereinbarkeitsmodelle immer wieder neu betrachtet werden müssen.“