Experteninterview zur Vereinbarkeit für Väter

Zwei Portraitfotos von Volker Baisch und Martin Bujard
© Volker Baisch / BiB

Herr Baisch, wie sieht es mit der betrieblichen Vereinbarkeitspolitik für Männer in der Praxis aus?

Die Partnermonate für Väter haben sich normativ durchgesetzt, das ist ein Erfolg des Elterngelds.  Allerdings möchten viele Väter gerne länger in Elternzeit gehen als nur zwei Monate. Mit diesem Wunsch werden sie in den Unternehmen aber mehrheitlich alleingelassen.

Führungskräfte erhalten zu wenig Unterstützung von der Geschäftsführung: Erstens hat das ElterngeldPlus die nächste Flexibilisierungsrunde in den Unternehmen eingeleitet, Stichwort: Elternzeit für Väter plus vier Monate Partnerschaftsbonus. Ein geregeltes Vertretungsmanagement fehlt aber meist. Immer noch wird erwartet, dass Führungskräfte die Aufgaben im Team verteilen oder selber übernehmen. Und zweitens ist der Wunsch vieler Väter nach längerer Elternzeit angesichts des Gender-Pay-Gap oft nicht realisierbar.

Herr Bujard, wir sprechen vom Wandel der Vaterrolle und stellen gleichzeitig erhebliche Schwierigkeiten fest, mehr väterliche Teilhabe an der Fürsorge zu erreichen. Warum?

Junge Väter sehen sich nicht mehr überwiegend als Ernährer, sondern als aktiver Vater, als emotional eng verbundene Bezugsperson. Diese neuen Einstellungen treffen allerdings auf alte Strukturen. Unsere Befragung von 20- bis 39-Jährigen hat gezeigt, dass 52 Prozent der Frauen und sogar 64 Prozent der Männer meinen, Väter sollten für ihre Kinder beruflich kürzertreten. Demgegenüber verläuft aber die Entscheidung über Karrierechancen angesichts alter Denkmodelle bei Männern recht früh im Lebenslauf.

Auszeiten zu nehmen oder weniger Überstunden zu leisten bedeutet nach diesem Muster Karriereeinbußen. Väter arbeiten nicht nur länger als ihre Partnerinnen, sondern auch länger als Männer ohne Kinder. Aus dieser Mehrarbeit resultieren höhere Karrierechancen und Einkommen bei Männern. Daher trifft der Begriff von der Rushhour des Lebens – also der Belastung durch Familien- und Erwerbsarbeit – auch auf Väter zu.

Herr Baisch, wie blicken junge Väter auf das Thema Vereinbarkeit und was bedeutet das für Unternehmen?

Väter zwischen 35 und 40 Jahren unterscheiden sich deutlich von der Generation der Babyboomer. Sie möchten mehr Zeit für die Familie haben. Wichtig sind ihnen dabei Zeitsouveränität und weniger Kontrolle durch ihre Vorgesetzten. Außerdem kommen Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Sabbaticals und Ähnliches sehr gut bei ihnen an. Sie wollen in Elternzeit gehen, mehr Hausarbeit übernehmen und ihre Partnerinnen darin unterstützen, beruflich voranzukommen.

Dazu gehört auch eine faire Bezahlung beider Eltern. Untersuchungen zeigen: Wenn Partnerinnen genauso viel verdienen wie ihre Partner, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Väter länger in Elternzeit gehen. Nach dieser Logik sollten Unternehmen mittel- bis langfristig nicht mehr Mütter oder Väter als Einzelzielgruppen in den Blick nehmen, sondern berufstätige Paare als Zielgruppe familienfreundlicher Personalpolitik.

Wie können Unternehmen berufstätige Paare stärker unterstützen?

Bujard: Unternehmen müssen damit rechnen, dass das „Risiko Mutterschaft“ genauso zum „Risiko Vaterschaft“ wird, das heißt, dass auch Männer wegen Krankheit der Kinder zu Hause bleiben, Abendtermine und Dienstreisen nicht mehr selbstverständlich wahrnehmen können und sich im Zweifel einen familienfreundlicheren Arbeitgeber suchen.

Baisch: Ja, 75 Prozent der Beschäftigten zwischen 25 und 39 Jahren würden für mehr Familienfreundlichkeit sogar den Arbeitgeber wechseln. Wichtig ist eine kompetente Beratung, wie Paare am besten ihre Elternzeitmonate aufteilen. Unternehmen können Informationsveranstaltungen anbieten und Expertise von den Elterngeldstellen dazu einholen. Führungskräfte müssen verstehen, was in den nächsten Jahren an neuen Flexibilisierungsanforderungen auf sie zukommt. Dabei hilft ein im Unternehmen abgestimmter Ablauf mit Vertretungsregeln, festen Ansprechpartnern und guten Beispielen.